Über zeitgemäße Führung gibt es viel Interessantes zu lesen. Ebenso über “gute Führung”, “digital Leadership”, “agiles Führen” und so weiter. An einem Begriff bin ich aber besonders hängengeblieben, weil er neutral, sachlich, ja emotionslos den Nutzen klarmacht: Skalierbare Führung. “Genau darum geht es!” ging mir durch den Kopf, als ich zum ersten Mal auf dem Blog von Harald Schirmer darüber stolperte. Denn wer möchte im digitalen Zeitalter nicht dazu beitragen, Skalierbarkeit zu ermöglichen? Aber Halt, was ist überhaupt mit “skalierbar” gemeint? Vereinfacht gesagt, geht es darum, inwiefern ein bestehendes Geschäftsmodell ohne nennenswerten Mehr-Invest in einem größeren Rahmen betrieben werden kann – zum Beispiel international, mit dreifacher Kundenanzahl, doppeltem Umsatz, zweihundertfachem Datenvolumen undsoweiterundsofort. Wer es genauer wissen will mit der Skalierbarkeit, wird zum Beispiel hier fündig.
Wendet man diesen Begriff nun auf das eigene Führungsverhalten an, wird schnell sichtbar, an welche Grenzen man mit seinem aktuellen Führungsstil stößt – vorausgesetzt, man möchte in der oben beschriebenen Weise die Erfolge steigern. Schauen wir uns daher einfach mal die Kriterien an, mit denen viele (digitale) Geschäftsmodelle erfolgreich sind.
Zeitunabhängig.
Überlegen sie einmal: Würde Ihr Bereich auch dann reibungslos funktionieren, wenn die Leute in verschiedenen Zeitzonen sitzen? Oder es verschiedene Arbeitszeitmodelle gibt? Der eine Kollege kann montags nicht, die andere Kollegin nur bis 13:00 Uhr und so weiter?
Gibt es Kernzeiten, zu denen alle – ob physisch oder virtuell – zusammenkommen? Und wenn ja, wie breit sind diese definiert?
Ortsunabhängig.
Ist es egal, von wo aus Ihre Mitarbeiter arbeiten? Oder finden Sie es wichtig, jederzeit spontan vorbeischauen zu können, weil Sie dringend eine Information brauchen oder einen eiligen Auftrag vergeben möchten? Fühlen Sie sich sicherer, wenn Sie die Leute sehen können? Oder kommen Sie gut damit zurecht, zur vereinbarten Zeit ein bestimmtes Ergebnis zu erhalten?
Beziehen Sie auch externe Rollen in Ihre Betrachtung mit ein, denn skalieren geht auch (oder erst Recht) mit Dienstleistern bzw. Freelancern. Sind Sie in der Lage, diese in ein bestehendes Team zu integrieren – unabhängig davon, wo sie sich befinden? Und nein, ich meine nicht in Form eines “Berater-Containers”, den Sie für die externen Kollegen aus dem Boden gestampft haben, um eine Herberge von Montagmittag bis Donnerstag zu bieten. ;o)
Vernetzend.
Stellen wir uns vor, Sie haben 7 Mitarbeiter. Mit jedem vereinbaren Sie wöchentlich jeweils einen einzelnen Termin zur Abstimmung. Nun kommt noch ein kleines Team an einem anderen Standort dazu, das Sie übernehmen. Ab sofort fahren Sie also regelmäßig an den anderen Standort, um auch dort mit den Leuten Einzeltermine zu machen. Diese Führungsarbeit ist nicht beliebig skalierbar – ab einer gewissen Größe können Sie das nicht mehr persönlich beherrschen und benötigen beispielsweise klassische Unterstrukturen. Der Aufwand der Einzelgespräche bleibt dabei erhalten oder nimmt sogar noch zu. Skalierbar ist das nicht, denn es wird schnell unübersichtlich – Silodenken lässt grüßen.
Setzen Sie dagegen auf Vernetzung, verschiebt sich das. Nehmen wir an, Sie führen ein Team von verschiedenen Spezialisten und Sie setzen ein Enterprise Social Network ein. Jeder ihrer Mitarbeiter arbeitet da rein, indem er Dokumente mit anderen teilt, seine Ziele und den dazugehörigen Arbeitsfortschritt dort pflegt und die gesamte Teamkommunikation darüber abwickelt. Statt Mail-Pingpong gibt es Kommentare, was einen ganz anderen Multiplikator-Effekt mit sich bringt. Jedes Teammitglied kann so, quasi nebenbei, vom Wissen der Kollegen profitieren. Kommen mehr Leute hinzu, wächst auch das Wissen. Das klappt nur, wenn es nicht die eine Krake gibt, die das alles versucht zu steuern – und deshalb auf sternförmige Kommunikation setzt.
Machen Sie es stattdessen wie die digitalen Vorreiter-Unternehmen: Liefern Sie die Plattform für Ihre Leute!
Datenbasiert.
Erfolgreiche digitale Geschäftsmodelle zeichnen sich in der Regel auch durch konsequente Kundenorientierung aus. Kundendaten bilden die Basis, an denen sich die Qualität Ihrer Arbeit messen lässt. Das schafft gleichzeitig für das Team eine ganz andere Transparenz: Es gibt zunächst kein richtig oder falsch – denn man schaut gemeinsam, wie die Kunden reagieren. Vergleichen Sie die anstehenden Aufgaben dazu einfach mal mit klassisch digitalen Fragestellungen: Sie wollen eine Website optimieren. Woran orientieren Sie sich, was ist der Maßstab, dass sie gut ist? Ist es die Conversion Rate oder der Rat des meinungsstärksten Teammitglieds, der “häufig von den Kunden hört, was die mögen”? Wenn letzteres ziemlich bescheuert klingt, prüfen Sie weiter. Auch dort, wo sie bisher noch keine klaren Messgrößen haben: Was heißt “gewünschte Qualität”? Wie kriegen Sie Feedback von den Nutzern Ihrer Produkte oder Services? Hilfreich ist, deren Feedback möglichst oft einfließen zu lassen, so dass Daten als Entscheidungsgrundlage das Arbeiten erleichtern. Damit ist der Qualitätsbegriff in der Regel auch ein anderer: Man kann bestimmte Produkte, Services oder Features testen und die Nutzerreaktionen dazu messen. Das ist wiederum ein großer Unterschied zum klassischen “sich ausrichten/orientieren am Chef” mit dessen Fachkompetenz, Meinung oder Charisma. Sie sehen, es heißt also, Macht abzugeben.
Zweckorientiert.
Damit Sie nun mit Ihrem Team nicht lose zwischen Kundenwünschen hin- und herdriften, brauchen Sie eine klare Vision, oder besser: Einen klar definierten Zweck. Warum tun Sie mit Ihrer Mannschaft das, was Sie tun? Für wen und wie? Was ist der Sinn des Ganzen? Mit dieser Leitplanke fällt es auch direkt leichter, die Messkriterien passend aufzusetzen und zur Diskussion zu stellen. Womit wir beim nächsten Gedanken landen.
Partizipativ.
All diese Facetten bedeuten allerdings für Sie als Führungskraft vor allem eines: Kontrolle abzugeben. Vernetzung, Orts- und Zeitunabhängigkeit oder die Transparenz, die die konsequente Orientierung an Kundendaten mit sich bringt heißt letzten Endes, dass Sie ziel- und sinnorientiert führen müssen. Dazu gehört neben dem klar definierten Zweck auch ein gewisses Maß an Planung und Berechenbarkeit: Spontane Kurswechsel sollten Sie gut erklären können (siehe Punkt “Kundendaten” – dann müssen diese Kurswechsel nämlich gar nicht von Ihnen initiiert werden) und “Empowerment” geht nur, wenn Mitarbeiter autark ihren eigenen Weg der Umsetzung wählen können.
Aber Moment mal: Heißt das jetzt, ich muss ständig mit allen ganz viel reden?
Damit partizipatives Führungsverhalten skalieren kann, ist die oben beschriebene Art der Kommunikation – eben nicht sternförmig, sondern plattformbasiert – eine wichtige Voraussetzung. Ich finde das sehr wichtig zu erwähnen, denn immer wieder höre ich den Einwand, man müsse dann ja mit allen diskutieren, und das dauere ja ewig und ginge irgendwann nicht mehr. Nein! Muss man nicht – oder besser gesagt: Muss man nur, wenn man weiterhin alles persönlich kontrollieren möchte, weil man vielleicht in Sachen Messbarkeit, Datenbasiertheit, Zweckorientierung usw. noch Optimierungsbedarf hat.
Und sonst? Was gehört noch dazu? Wie immer freue ich mich über Kommentare!
9. Februar 2018, 08:34
Hi Dagmar,
toller Artikel! Vieles von dem, was Du schreibst, finde ich auch bei den resonanten Führungsstilen nach Goleman wieder. Spannend finde ich aber besonders die Beweggründe, wie man dorthin kommt. Vielen Dank dafür.
Liebe Grüße
Lars
9. Februar 2018, 14:44
Liebe Dagmar,
Danke für den tollen Artikel. Die Analogie gefällt mir sehr gut. Merke ich mir, wenn ein Kunde mal wieder eine neue Führungsebene einziehen will… Ist ja nicht in allen Fällen verkehrt, aber eben auch bei weitem nicht die einzige Lösung, wenn man mit seinem aktuellen Führungsstil (und den zugehörigen Strukturen) an Grenzen stößt. Was mir besonders gefällt: Gute (=wirksame) Führung ist nach dem Verständnis weniger eine Frage persönlicher Skills, sondern der Schaffung kluger Rahmenbedingungen.
Viele Grüße
Anne
23. Februar 2018, 21:15
23. Februar 2018, 21:29
12. Oktober 2018, 11:54
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Hätte von mir sein können
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