Britta sitzt in der dreizehnten Reihe eines großen Konferenzraumes, als der Workshopmoderator zur “Blitz-Einschätzung” mittels Klebepunkten aufruft. Siebzehn Assistenten gehen durch die Reihen und verteilen jedem Teilnehmer neun Klebepunkte. Stühlerücken, es ist eng. Vorne zwei Pinwände mit achtundsechzig Ideen, die nurmalkurz bewertet werden wollen. Es entsteht eine lange Warteschlange, die auch dreieinhalb Stunden später noch nicht endet. Im Raum ist es allmählich stickig; es entsteht Gerangel, erste Teilnehmerinnen fallen in Ohnmacht.
Vier Ordner kommen herbeigerannt und postieren hastig Absperrgitter. Irgendwo ins Getöse dringt leise eine Telko-Spinne: “Und wir hier in Ulambator? Sollen wir unsere Meinung kurz per Mail schicken?”.
Ich glaube, ich schweife ab. Wäre das ein guter, alter TV-Spot, würde jetzt jemand sagen: “Aber für sowas gibt’s doch GOTTSEIDANK Voting Tools!”
Und weil ich solche Voting Tools (a.k.a. “Live Polls” oder “Audience Interaction System” oder einfach “Abstimmungs-Tool”) tatsächlich im echten Leben sehr praktisch finde, folgen hier ein paar Einsatzmöglichkeiten.
Der Klassiker: Einmal die ehrliche Meinung, bitte!
Egal ob es sich um schlichte Meetings oder größere Konferenzen handelt: Wurden Vorschläge vorgestellt und man möchte anschließend möglichst ungeschminktes und gleichsam eindeutiges Feedback haben, bietet sich eine Abfrage per Smartphone an. Das klappt zum Beispiel gut mit mentimeter, sli.do oder auch voxvote. Eine einfache Variante ist beispielsweise die Skalenfrage: Die passende Fragestellung ist schnell getippt und mittels Skala wird der Grad der Zustimmung bzw. Ablehnung ausgedrückt. Das funktioniert für die Teilnehmer wie ein Schieberegler, der sich live aktualisiert – was gerade bei kontroversen Fragestellungen spannend ist.
Auf dieser Basis kann dann ergebnisabhängig weitergemacht werden – mit einer Diskussionsrunde oder beispielsweise in Untergruppen.
Die Entlastung: Paralleler Fragenkanal.
Voting Tools können auch hilfreich sein, um Teilnehmern – gerade in großen Gruppen beispielsweise in einer Vortragssituation – die Möglichkeit der anonymen Fragestellung zu geben. Ähnlich wie bei Webinaren hat das nämlich zwei Vorteile: Zum einen die geringere Hemmung, eine Frage vor großem Publikum zu stellen. Zum anderen die Tatsache, dass das Stellen von Zwischenfragen den Vortrags-Fluss nicht unterbricht. So wird aus einem reinen Vortragsszenario eine interaktivere Veranstaltung im jeweils individuellem Tempo. Das gilt inbesondere, wenn ein zweiter Bildschirm benutzt wird, auf dem die Fragen & gegebenfalls auch die Antworten gezeigt werden.
Die einfache Demokratie: Priorisieren mit der Matrix
Sofern die Gruppe nicht zu groß (ab 30 Leute) ist, bin ich Fan der Prio-Matrix. Dabei werden die zur Verfügung stehenden Optionen (z.B. vorher gesammelte Lösungsansätze) zunächst eingegeben und ein Bewertungsdiagramm festgelegt. Anschließend schätzt jeder Teilnehmer für sich jeden einzelnen Punkt auf den beiden Skalen ein – zum Beispiel einmal die Wichtigkeit & einmal die Umsetzbarkeit. Die Punkte wechseln dann automatisch ihre Position in der Matrix. Wer mag, kann die Einschätzungen erst einmal komplett im Verborgenen einsammeln, damit der weitere Verlauf nicht durch die Sichtbarkeit der ersten Ergebnisse beeinflusst wird.
Generell sollte darauf geachtet werden, die Skalen vorher eindeutig einzuführen.
Achtung bei Komplexität!
Außerdem finde ich wichtig zu betonen, dass der Einsatz einer solchen Matrix noch keine Diskussion ersetzt – es ist, wie alle anderen Moderationstechniken auch, nur ein Vehikel, um Meinungen schnell sichtbar zu machen, ohne dass uns die Sozialpsychologie mit ihren Gruppenphänomenen dazwischen funkt. Die Spannung liegt aber dennoch im Zustandekommen der Werte; Mittelwerte können diese Komplexität schlecht abbilden (und ich habe noch kein Voting Tool kennengelernt, dass beispielsweise Standardabweichungen extra abbildet).
Welche Einsatzmöglichkeiten sind eure liebsten?
Schreibt es mir gern in die Kommentare – mit etwas Glück entsteht hier eine kleine Sammlung!
2. Mai 2019, 09:24
Cooler Input. Danke!