Wer in den letzten Jahren als angestellter Mensch den Job gewechselt hat, kennt es natürlich: 2 Monate vor Antritt der neuen Stelle erhält man nette Neuigkeiten vom zukünftigen Team. Jemand hat selbstgebackene Kekse in ein Päckchen gelegt, dazu ein mit Liebe angefertigtes Gruppenselfie vom letzten Grillabend, beschriftet mit “Wir freuen uns auf dich! XOXO!” oder “Schau, Mike räumt schon seine Pflanze für dich weg.” Am ersten Arbeitstag läuft alles wie geschmiert: Die Hardware steht, alle Verbindungen sind fertig, das Telefon ist eingerichtet, auf dem Tisch Lieblingsblumen und Lieblingsschoki. Dann folgen Einarbeitungstermine, zu denen man – kameradschaftlich eingehakt mit dem extra benannten Kannstmichallesfragen-Kollegen – schlendert. Um am zweiten Tag direkt die in der Stellenausschreibung erwähnten spannenden Aufgaben übernehmen zu können, haben sich sämtliche Ansprechpartner extra Lücken im Kalender eingeplant – für die nächsten vier Wochen. Organisch und unaufdringlich fügen sich außerdem gegenseitige Feedbackgespräche ein, um früh korrigieren zu können, wenn Erwartungen nicht erfüllt werden.
Dennoch: Es soll Menschen geben, denen ist das Gegenteil passiert. Die haben lange nicht gewusst, ob der unterschriebene Vertrag angekommen ist. Sind am ersten Tag nicht ins Gebäude gelassen worden. Konnten die verpflichtende Arbeitskleidung nicht tragen, weil die passende Größe nicht vorrätig war. Der vorher benannte “Einarbeitungspate” hatte keine Zeit für sie. Die Chefin antwortete auf die Frage nach Erwartungen “Die lernen Sie schon noch kennen.”. Manch einer wusste nicht, wem er nun seine “Probezeitkündigung” in die Hand drücken sollte.
Onboarding ist doch überall ein leicht beherrschbarer Standardprozess – sollte man meinen.
Stepstone hat Anfang diesen Jahres eine Studie zum Thema veröffentlicht, die mich in einigen Teilen wirklich überrascht hat. So gaben zum Beispiel nur 86% in der Gruppe der Berufserfahrenen an, ihr Team sei über ihren Arbeitsbeginn informiert gewesen. Nur 63% durften sich über einen voll ausgestatteten Arbeitsplatz freuen. Und für ganze 38% gab es einen Einarbeitungsplan. Auch interessant: Von den rund 13.000 Befragten gaben 30% an, schon einmal ein Unternehmen innerhalb der Probezeit wieder verlassen zu haben. Die häufigsten Gründe waren enttäuschte Erwartungen bezüglich der Arbeitsinhalte (es war nicht drin, was im Bewerbungsverfahren vereinbart wurde), eine nicht passende Unternehmenskultur und die Zusammenarbeit mit der Führungskraft.
Onboarding beginnt nicht erst am ersten Arbeitstag.
Auch die erwähnte Studie betont drei Phasen, auf die Unternehmen besonders achten sollten, damit die raren Fachkräfte nicht frühzeitig wieder von Board gehen: Phase 1 beginnt direkt nach der Vertragsunterzeichnung und endet am ersten Arbeitstag (im Fachsprech “Preboarding”). Darauf folgt dann die Begrüßungsphase: Die ersten Tage im neuen Job, an die man sich oft noch recht lang erinnert (Fragen Sie mal im Freundeskreis!). Dann kommt der tückische Teil: Die bis zum Ende der Probezeit andauernde Integrationsphase. Hier geht es nicht nur um die fachliche Einarbeitung, sondern vor allem um soziale Sicherheit. – Aber mal im Ernst: Das ist doch alles nichts, worauf nicht jeder bei fünfminütigem Nachdenken sofort selber kommt, oder? Keine Raketenwissenschaft! Alles nur eine Sache von Organisation und Disziplin, nicht? Deshalb habe ich einmal zusammengetragen, wie man pragmatisch einen Unterschied machen kann.
Pragmatische Tipps für jede Phase
- Vor dem ersten ArbeitstagDer Fokus sollte sein: Vorfreude wecken! Als eine Art Faustregel bietet sich an: “Alles, was vorab informiert, aber noch keine Arbeit ist.” Sie haben ein goldenes Büchlein mit der Unternehmensgeschichte? Ein Leitbild gar? Oder den letzten Geschäftsbericht? Ab in die Post damit! Drei Wochen vor dem Start ist ein Biergarten-Abend geplant? Worum nicht die Neue schon einladen? Der neue Kollege kommt aus einer ganz anderen Stadt, zieht womöglich sogar um? Dann sind Infos zur neuen Heimat nett!
Wer das alles machen soll? Das direkte Team natürlich! Am besten so persönlich wie möglich. Hier sind übrigens Teams klar im Vorteil, die schon im Einstellungsprozess dabei waren.Größere Unternehmen – ab 20 Einstellungen pro Jahr und wenn wiederholt verschiedene Personen in den Ablauf eingebunden sind – sollten den Teams dabei strukturiert unter die Arme greifen. Hier können Software-Lösungen helfen. Eine gute Möglichkeit ist hier “My Onboarding” von Haufe, zu dessen Software-Angebot auch eine App gehört. So lassen sich neue Mitarbeiterinnen schon vor dem ersten Arbeitstag über relevante Neuigkeiten informieren – und erhalten, einmal gestartet, weitere Infos zur Einarbeitung & Co., je nach Vorliebe per Smartphone. Und jeder, der in diesem Prozess eine Aufgabe hat, wird rechtzeitig daran erinnert. Es kann so einfach sein.
Doch Achtung: Übertreiben Sie es nicht. Wer mit Nachrichten bombardiert wird, bevor es überhaupt richtig losgeht, entwickelt womöglich Fluchtgedanken.
- Am ersten TagJetzt geht’s lo-hos! Hier ein paar – zugegeben, banale – Fragen, an denen es dennoch oft scheitert:
War der Neuling im Vorfeld informiert, wie der erste Arbeitstag aussehen wird? Start, Ende? Was zieht man an? Muss man sich selber was zu Essen mitbringen oder gibt es ein gemeinsames Essen? Wen trifft man?
Wie sieht der Arbeitsplatz aus? Von wo kommt die Neue wann an? Wie kommt sie rein? Gibt es einen festen Ansprechpartner unter den Kollegen, der sie die ersten Tage begleitet? Und – Pro-Tipp – hat dieser wirklich die Möglichkeit, sich Zeit dafür freizuschaufeln?
- Die ersten Wochen & MonateHier geht es nun darum, ob sich die Erwartungen beider Seiten erfüllen. Sind alle Informationen zur Verfügung, um gut arbeiten zu können? Gibt es noch zu wenig oder schon zu viel Verantwortung?
Dafür gibt es keine Standardlösung, hier braucht es Feedback. Damit es im Trubel des Alltags nicht untergeht: Legen Sie früh entsprechende Gesprächstermine fest. Und machen Sie deutlich, dass es keine Beurteilungsgespräche, sondern wirklich gegenseitige Feedbackgespräche sind! Wer die Probezeit augenscheinlich nur dazu nutzt, den neuen Mitarbeiter auf seine Tauglichkeit zu überprüfen, übersieht das immense Potenzial, das soziale Sicherheit bieten kann: Wer sich nicht kritisch beäugt, sondern sicher fühlt, ist engagierter. Denn wenn das Onboarding gut gelungen ist, bleiben die Neuen nicht nur eher – sie sind auch (schneller) produktiver.
Wie sind Ihre Erfahrungen? An welchen Ihrer ersten Arbeitstage erinnern Sie sich noch? Was war richtig gut, was war total daneben?